Der Film "Khartoum" zeigt das Leid im Sudan

Die Lage im Sudan ist desolat. Mehr als 30 Millionen Menschen benötigen humanitäre Hilfe - das sind mehr als 60 Prozent der Bevölkerung. Über 12 Millionen Menschen wurden seit Ausbruch des sudanesischen Bürgerkriegs im April 2023 vertrieben, fast vier Millionen Kinder unter fünf Jahren sind unterernährt. "Meiner Einschätzung nach handelt es sich um die schwerste humanitäre Krise weltweit", sagt Samy Guessabi, Landesdirektor der Nichtregierungsorganisation "Action Against Hunger" im Sudan, gegenüber der DW. Er nahm im Oktober an der Veranstaltung "Khartoum Calling" teil, die das Human Rights Film Festival Berlin organisiert hatte, um das Bewusstsein für den Konflikt im Sudan und seine humanitären Auswirkungen zu schärfen.
Auch die in Khartum geborene Medienmanagerin Niddal Salah-Eldin war zugegen. Sie warnte, dass die Zukunft einer ganzen Generation durch den Krieg gefährdet sei. "Mehr als 15 Millionen Kinder im Sudan gehen nicht zur Schule", sagte sie bei dem Festival. Zum Vergleich: In Deutschland gibt es insgesamt rund 14 Millionen Kinder.
Khartum: Eine pulsierende Stadt - zerstört durch den KriegHinter all diesen Zahlen verbergen sich ebenso viele persönliche Geschichten. Der preisgekrönte Dokumentarfilm "Khartoum" erzählte einigen von ihnen. Er porträtiert fünf Menschen aus der Hauptstadt des Landes: zwei junge Flaschensammler, eine Teeverkäuferin, einen Beamten und einen Freiwilligen der Widerstandskomitees - eine pro-demokratische Basisbewegung, die im April 2019 zum Sturz des ehemaligen Diktators Omar al-Bashir beigetragen hat.
Die Produktion des Films begann 2022. Ursprünglich war er als poetische Hommage an die Vielfalt Khartoums konzipiert: Bilder, eingefangen auf den Straßen der Stadt von vier aufstrebenden Filmschaffenden aus dem Sudan - Anas Saeed, Rawia Al Hag, Brahim Snoopy und Timeea M. Ahmed - in Zusammenarbeit mit dem britischen Regisseur Phil Cox.
"Aber dann kam der Krieg", erzählt Brahim Snoopy der DW.
Am 15. April 2023 griffen die paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) Stützpunkte der sudanesischen Streitkräfte im ganzen Sudan an, darunter auch in Khartum und auf dem Flughafen. "Die Regisseure, die Teilnehmenden - wir alle waren über den ganzen Sudan verstreut", erzählt Brahim Snoopy.

Snoopy gelang die Flucht nach Kenia. Auch die fünf Protagonisten kamen nach Nairobi, wo der Dokumentarfilm fertiggestellt wurde - der nun die brutalen Zerstörungen dokumentierte, die der Konflikt mit sich brachte. Die Flucht aus dem Sudan konnte nicht gefilmt werden, das wäre zu gefährlich gewesen. Die Protagonisten wurden daher gebeten, ihre persönlichen Erfahrungen vor einem Greenscreen nachzuspielen - ergänzt durch animierte Sequenzen und Archivmaterial. Dieser kreative Ansatz ermöglichte es ihnen, über die schmerzhaften Erlebnisse hinauszugehen und auch ihre Träume und Hoffnungen zu offenbaren. Dabei gelingt es dem Film sogar, die lebendige Musik und Kultur des Sudan zu feiern.
Pro-demokratische Gruppen im Visier beider KonfliktparteienDer Konflikt im Sudan müsse als "gegenrevolutionärer Krieg" verstanden werden, betonte die sudanesisch-britische Journalistin Yousra Elbagir in Berlin.

Bevor der sudanesische Diktator Omar al-Bashir im April 2019 vom Militär gestürzt wurde, hatten sudanesische Bürgerinnen und Bürger monatelang auf den Straßen protestiert und den Rücktritt des seit 30 Jahren regierenden Machthabers gefordert. Nach seinem Sturz wurde einen Übergangsregierung gebildet, es gab Hoffnung auf Demokratie - die jedoch 2021 nach dem gemeinsamen Putsch der heute verfeindeten Kriegsparteien, der Sudanesischen Streitkräfte (SAF) und der Miliz Rapid Support Forces (RSF), zerschlagen wurde.
In dem seit 2023 tobenden Machtkampf versuchen die verfeindeten Fraktionen, ihren Einfluss geltend zu machen. Und trotz ihrer unterschiedlichen Taktiken und Motive hätten die sudanesische Armee und die RSF ein gemeinsames Interesse daran, pro-demokratische Bewegungen zu unterdrücken, die ihre Autorität in Frage stellten, so Elbagir. "Das ist nun das Dilemma, in dem sich die Menschen befinden. Wir befinden uns an einem kritischen Punkt unserer Geschichte."
Sie hofft, dass diejenigen, die während der sudanesischen Revolution im Kampf für die Demokratie getötet wurden, nicht umsonst gestorben sind und dass ihre Sehnsucht nach Freiheit und Mehrheitsprinzip erfüllt werde.
Der "vergessene Krieg"Während die Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen weltweit viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen, wird die beispiellose Krise im Sudan oft als der "vergessene Krieg" bezeichnet. Für Medienmanagerin Niddal Salah-Eldin hingegen ist der Krieg im Sudan nicht einfach vergessen; er werde "aktiv ignoriert".
Die großen Goldreserven und anderen wertvollen Bodenschätze des Sudan deuteten darauf hin, dass verschiedene Mächte von der aktuellen Instabilität profitierten, so Salah-Eldin. Der Krieg im Sudan sei "ein Krieg gegen das sudanesische Volk", fügt sie hinzu und weist darauf hin, dass Hunger als Kriegswaffe eingesetzt werde.
Appell an die deutsche PolitikAm Tag nach der Filmvorführung von "Khartoum" in Berlin trafen sich die sudanesischen Expertinnen und Experten der Veranstaltung mit deutschen Politikerinnen und Politiker im Bundestag zu einer Podiumsdiskussion, um konkrete Handlungsmöglichkeiten zu erörtern.
In ihrem Appell an den Bundestag forderte die NGO "Action Against Hunger" auf, angemessene Mittel für humanitäre Hilfe bereitzustellen und lokale Hilfsnetzwerke direkt zu unterstützen. Die deutsche Regierung und die EU müssten ihr außenpolitisches Gewicht nutzen, um sich für einen sicheren humanitären Zugang, einen Waffenstillstand, die Umsetzung des internationalen Völkerrechts und eine friedliche Konfliktlösung einzusetzen, so Jan Sebastian Friedrich-Rust, Geschäftsführer von "Action Against Hunger" and Gründer des Human Rights Film Festivals in Berlin.
Filmemacher Brahim Snoopy ist überzeugt, dass alle Menschen dazu beitragen könnten, die Politik davon zu überzeugen, im Sudan zu handeln - sei es über die sozialen Medien oder durch Gespräche mit Freunden über die Krise. "Schon das Erwähnen des Wortes 'Sudan' in unseren alltäglichen Gesprächen ist wichtig, denn so beginnt die ganze Kampagne, Schritt für Schritt."
Adaption aus dem Englischen: Petra Lambeck
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